2023
Entdeckung Nummer 15
[boʒɔˈlɛ]
Weingut Sermann / Ahr
(24,50 € / ausverkauft)
Wie man an der Ahr französisch spricht …
Früher verfolgte ich bei Olympischen Spielen jeden Wettbewerb. Meine Sympathie galt – neben den Sportlern aus der Heimat – immer den Underdogs, die es zum Schluss, entgegen allen Vorhersagen, auf das Treppchen schafften. Auch die Weinwelt kennt Underdogs, mit miserablem Ruf sogar, um die die viele einen Bogen machen. Manchmal zu Unrecht. Oder zumindest zum Teil zu Unrecht. Beaujolais ist so ein Fall. Vor Jahrzehnten wurde es gefeiert, wenn am dritten Donnerstag im November der Primeur oder Nouveau auf den Markt kam, als erster Wein des neuen Jahrgangs. Von Beginn an war das Zeug nicht besonders gut, und es wurde mit dem Erfolg nur mehr aber nicht besser, ganz im Gegenteil.
Dabei gibt es großartige Beaujolais, noch dazu sind es Weine mit einem echten Geheimnis. Abgekürzt heißt dieses MC, ausgeschrieben Macération carbonique, auf Deutsch: Kohlensäuremaischung. Bekannt ist es auch unter dem Begriff Intrazelluläre Gärung. Ich lass Wikipedia mal erklären:
Bei der Kohlensäuremaischung wird das möglichst unverletzte Lesegut – kein Entrappen, kein Zerquetschen – als ganze Traube in das Gärbehältnis eingelagert. Das Behältnis wird unter CO2-Schutzgas gestellt, um das Produkt vor Oxidation zu schützen. Die Enzyme in den Beeren bilden etwa 1,5 % Ethanol, Glycerin und Bernsteinsäure; Äpfelsäure wird abgebaut. Diese Lösungsmittel extrahieren daraufhin wiederum die Farbstoffe aus der Beerenhaut und Polyphenole aus den Kernen.
Das ist die reine Lehre, aber es gibt auch Mischformen, bei denen ein Teil der Trauben entrappt und gemaischt wird, was sich dann Macération semi-carbonique nennte. Die weitere Weinbereitung verläuft dann nach konventionellen kellertechnischen Verfahren.
Im Ergebnis erhält man Weine, die weniger Tannine aufweisen, fruchtiger sind, schneller trinkreif, und heller.
Ein hochklassiger deutscher Beaujolais war mein Traum. Aber wie sollte man das angehen? Die Rebsorte der Region, Gamay, findet sich in Deutschland allerdings so gut wie nicht. Sie ist eine natürliche Kreuzung von Pinot sowie Gouais Blanc, und wächst im Beaujolais auf Schiefer- und kalkhaltigen Granitböden. In anderen Anbaugebieten wird Gamay manchmal zusammen mit Pinot Noir gekeltert.
Ich zählte 1 + 1 + 1 zusammen: Pinot Noir vom Schiefer musste es sein! Gesucht war ein Winzer, der bekannt für frische, alkoholarme und trotzdem komplexe und tiefgründige Pinots ist – und verrückt genug mit seinen wertvollen Trauben solch ein Wagnis einzugehen. Lukas Sermann vom Weingut Sermann in Altenahr, dessen Betrieb in der Flut schwer zerstört wurde, war die perfekte Wahl. Lukas gilt als bester Weißwein-Winzer des kleinen Tals und seine Pinots, vor allem die vom kargen Altenahrer Eck, gelten als herausragend mineralische Rote. Schlank und frisch, New Wave Ahr at it’s best!
Lukas sagte sofort zu, wir trafen uns in Seiner Kelterhalle, und verkosteten einige hochklassige MC-Weine, um den Stil festzulegen. Einige Monate später trafen wir uns wieder, um die Cuvée zu kreieren. 2022 war ein hitzegeprägter Jahrgang (wovon man aber nichts im Wein merkt), und top was die Gesundheit anging, es gab keinerlei Botrytisprobleme. O-Ton Lukas zum Herbst: „Die Lese ging von Anfang September, so um den 10. rum, bis zum 10. Oktober. Nie zuvor hat sie für den Pinot so lange gedauert. Das lag auch am Regen, der Mitte September kam, und die Reife nach hinten gefetzt hat. Zum Teil gab es mehrere Lesegänge, aber meist haben wir direkt vom Stock alles gelesen. Wir geben im Weinberg Vollgas beim Sortieren, und gehen an die Schmerzgrenze der Lesemannschaft. Das ist aber auch bitter nötig, da wir logistisch momentan keine zweite Sortierung im Keller vornehmen können.“