2013
Entdeckung Nummer 5
"Liebesheirat"
Weingut Bernhard Huber / Baden

(23.80 € / ausverkauft)

Der Müller-Thurgau ist die romantischste Rebe der Welt. Der Müller-Thurgau ist eine wahr gewordene „Liebesheirat“. Rebforscher Hermann Müller aus dem schweizerischen Kanton Thurgau wollte an der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau Riesling und Silvaner kreuzen – daher auch der manchmal genutzte Kreuzungsname Rivaner. Die Mutter des Müller-Thurgau ist tatsächlich die Riesling-Rebe, doch sie vermählte sich 1882 lieber mit einem Franzosen namens Madeleine Royale. Es war eine Liebesheirat – und lange Jahre hat es niemand gemerkt.

Noch immer ist Müller-Thurgau weltweit gesehen die erfolgreichste Neuzüchtung, doch ihr Ruf als Massenträger, der nicht zu großen Weinen fähig ist, eilt ihr voraus. Ja selbst Persönlichkeit wird ihr abgesprochen, nur weil ihre Reben angenehm früh und in großer Menge reifen und sie keine besonderen Anforderungen an den Boden stellt. Eine genügsame, generöse Rebe. Mit Bernhard Huber wollte ich beweisen, dass sie zu mehr in der Lage ist. Denn er keltert für mich den besten Müller-Thurgau Deutschlands, und auch anderswo habe ich noch keinen besseren verkostet.

Es gibt keine alten Müller-Thurgau Weinberge – doch Bernhard Huber besitzt welche. Anfang der 60er, vielleicht sogar Ende der 50er wurde sein ältester gepflanzt, 25 Ar ist er groß. Da der Vorbesitzer – er lieferte die Trauben an die Genossenschaft – ein Winzer mit Herz und Blut ist, stehen die Reben im Drahtrahmen auf 1,50 * 1,50 Meter „heute noch drin wie die Soldaten“, so Bernhard Huber.

Die Lage ist der Malterdinger Bienenberg, das Gewann heißt Giersberg. Der Boden weist hier eine relativ kräftige Lößauflage auf. Erst nach 30-40 Zentimetern kommt eine Mischung aus Löß und Muschelkalk, darunter wird es dann steiniger. Die Parzelle ist nicht steil, sie liegt fast ganz oben auf einem Plateau. Der Ausblick von hier oben auf 310 Metern ist famos, man sieht in die Freiburger Bucht, westlich zum Kaiserstuhl und bei gutem Wetter bis ins Elsass. Das größte Problem des bestens belüfteten Weinbergs lebt wenig entfernt in einem kleinen Wald: Rehe. Im Herbst ist der Wildverbiss am schlimmsten, da muss man schnell sein. „Es spricht sich von Generation zu Generation bei den Rehen durch, wie gut die Trauben sind“, sagt Bernhard Huber mit einem Lächeln. Von allen Seiten werden die Reben ab 55-60 Grad Öchsle bespannt. Beim Nachbarn hängt das Doppelte drin, doch da fressen sie nichts - kluge Tiere.

Bei der Traubenteilung wurden die Schultern weggeschnitten, denn diese treiben und reifen auch später aus, ohne sie hat man in der Regel 3-4 Öchsle mehr – diese Mühe macht sich beim bourgeoisen Müller-Thurgau trotzdem fast niemand. Auch nicht den Rückschnitt auf 10-16 Augen (je nach Kraft der Stöcke). „Jede Rebe muss bei alten Stöcken angesprochen werden. Wenn man schwache kurz anschneidet, bekommen sie wieder Kraft. Hier die richtige Balance bei jedem Stock zu finden, ist die größte Herausforderung für den Winzer.“ Später werden die Geiztriebe aus der Traubenzone entfernt, damit die Stöcke Luft während der Blüte haben, weniger stark verrieseln und nach Regen schneller abtrocknen. Unsere Entdeckung, die „Liebesheirat“, ist ein 2012er. Es war ein gutes Jahr mit ordentlichem Ertrag. Die Blüte fand um den 10. Juni herum statt und das Traubenmaterial war ausgesprochen gesund. Gelesen wurden die Trauben am Morgen des 25. Septembers bei strahlendem Sonnenschein.

Im Weingut wurden die Trauben noch vor der Pressung in drei Partien getrennt. Partie 1: Diese wanderte ins neue Barrique von der Tonnellerie Damy Père et Fils (Mersault). Bernhard Huber schwört auf Allier-Eiche, da diese nicht so harte Aromen abgibt. Bei der Partie wurde regelmäßige Batonage durchgeführt, wie bei einem Spitzen-Chardonnay. Partie 2: Diese wanderte ebenfalls in ein Damy-Barrique, jedoch als Drittbelegung – zuvor waren in diesem bereits Weißburgunder und Chardonnay ausgebaut worden. Bei dieser Partie wurde nur gelegentliche Batonage durchgeführt. Partie 3: Diese wanderte ins Edelstahl, um knackige Frische, klare Fruchtaromen und Säure zu erhalten.

Die drei Partien hatten zudem unterschiedliche Trübungsgrade. Gemessen wird dieser in der Einheit NTU. Normal ist bei einem Müller-Thurgau 120-150 NTU, was auch die Partie im Edelstahl erhielt. Durch die Wahl eines rustikaleren Pressprogramms gepaart mit viel Erfahrung und einem technischen Kniff schaffte Bernhard Huber es bei der Partie für das gebrauchte Barrique auf 550 und bei der für die Neubelegung sogar auf 1100 NTU. Mit einer hohen Trübung, so sagt er, wird das Holz noch schöner eingebunden. Bis in den Herbst lagen die drei Partien auf der Feinhefe und wurden erst kurz vor der Füllung vermählt. Für das endgültige Cuvée wurden viele Proben zwischen Malterdingen und Hürth hin- und hergeschickt. Das abgefüllte Cuvée hat mich ungemein beeindruckt und in Blindproben habe ich damit mehr als einen Weinfreund aufs Glatteis geführt, vereint es doch höchstmögliche Komplexität mit den typischen Aromen der Rebe sowie Frische. Das sollte Müller-Thurgau sein? Ja, so kann Müller-Thurgau sein! Auch wenn man man seinem Gaumen nicht glaubt!

Es setzt sich wie folgt zusammen: einige Tropfen Muskateller und ein kleiner Schuss Chardonnay vom Schlossberg.

„Mit der „Liebesheirat“ zeigt sich, dass man auch aus Müller-Thurgau nicht nur Schoppenweine keltern kann“, sagt Bernhard Huber und beschreibt ihn: „Ein Müller-Thurgau mit Tiefgang, dezent fruchtig, unheimlich mineralisch, dieser Wein zeigt was MT ins Glas bringen kann.“

Seine Werte 12,0% vol Alkohol, 3,9 g/L Restzucker und 6,3 g/l Säure. Doch wie immer sagt der erste Schluck viel mehr als jede Zahl. Dieser Wein vereint die Leichtigkeit und Würze eines klassischen Müller-Thurgaus mit langem Nachhall und Komplexität. Er hat einen unheimlichen Trinkfluss und sogar mineralische Tiefe. Dies ist ein Müller-Thurgau einer neuen Generation – und hoffentlich der Beginn einer Renaissance für diese unterschätzten Rebe, die aus einer Liebesheirat entstanden ist.

Man darf ihn trotzdem an allen Tagen genießen – und nicht nur am Valentinstag!