2014
Entdeckung Nr. 6
„Keschde unn Monnlä“
Weingut Dr. Wehrheim / Pfalz

(27,50 € / ausverkauft)

Zweigleisig, so fahren sie, die deutschen Winzer in Sachen Sekt. Ja, natürlich gibt es einige Nebenstrecken, überwuchert und ruckelig, aber im Zentrum gibt es: Riesling-Sekt und Sekt nach Champagner-Vorbild aus den Burgunderrebsorten. Ich liebe Champagner. Kann ich immer trinken. Und wie es sich gehört in großem Schlucken. Wenn ich mal im Lotto gewinne, bade ich drin.

Champagner ist sexy, Sekt ist laut amtlicher und entsprechend blutleerer Definition ein Qualitätsschaumwein. Genauer: ein alkoholisches Getränk mit Kohlensäure, dessen Alkoholgehalt mindestens 10 Volumenprozent beträgt. Grundwein und Dosage müssen aus demselben Anbaugebiet kommen. So gut, so unsexy. Aber das geht auch anders! Was mich bei der diesjährigen Wein-Entdeckung interessierte, war der Grundwein. Warum nicht mal die zwei Gleise zusammenführen? Warum nicht Riesling UND Burgunder? Wenige Versuche dieser Art gab es, keiner groß, keiner, der das Thema ausreizte, der herausragende Riesling- und Burgundertrauben verwendete und beim Besten der Besten in Deutschland versekten ließ.

Der Winzer für diesen Fund musste jemand sein mit Riesling und Weißburgunder, denn den wünschte ich mir, jemand, der alljährlich Großes schafft, dessen Weine Zug und Spannung haben, eine begeisternde Säure und große aromatische Tiefe. Ich musste nicht lange nachdenken, eigentlich gar nicht: diesen Fund wollte ich mit dem Weingut Dr. Wehrheim aus Birkweiler in der Südpfalz angehen. Und was den Versekter anging: Volker Raumland oder keiner.

Und genau so kam es. Karl-Heinz Wehrheim sagte direkt ja, gab das Projekt aber an seinen Sohn Franz, Jahrgang 1987, weiter. Franz‘ erster Herbst im Weingut als Mit-Winzer war 2010 – und dies würde sein erster Sekt sein. Franz ist eine imposante Erscheinung, geschätzte 2,50 Meter groß, schlank, ein gewinnendes Lächeln. Und verdammt klug.

Der ausgewählte Jahrgang war 2011. Bei meinem ersten Termin vor Ort legten wir die Wingerte fest, in denen die Trauben wachsen sollten: der Riesling aus dem legendären Kastanienbusch, auf Pfälzisch ‚Keschdebusch‘, und der Weiße Burgunder aus dem Mandelberg (Mandeln Pfälzisch: Monnlä) - daher auch der Name des Sektes. Um ganz genau zu sein stammt der Riesling aus der sogenannten Schalachhecke. „Wir sagen jedoch Schleiech“, erklärte mir Franz bei der Weinbergsbesichtigung. „Dort haben wir auch in warmen Jahren kühle Säuren.“ Und der Weißburgunder kommt aus dem Gewann Herrenberg, so nennen die Wehrheims das Herz des Mandelbergs. „Der 2011er Jahrgang war sehr sonnig“, sagt Franz rückblickend. „Wir hatten einen tollen Herbst und konnten im T-Shirt lesen! Die Trauben waren sehr, sehr gesund. Schwierigkeit: Die Säure in so einem Jahr nicht komplett zu verlieren!“ Die Wehrheims schafften es. Für den Sektgrundwein lasen sie schon im September, um die Säure zu erhalten.

Bei meinem nächsten Besuch im wunderschönen, mediterran anmutenden Gutshof der Familie waren in der Probierstube Weinkaraffen, ein Meßzylinder und Gläser aufgebaut. Die Cuvéetierung! Die Grundweine wiesen jeweils 75 Grad Öchsle auf – Volker Raumlands Traumwerte. Und meilenweit von dem entfernt, was sonst in Deutschland versektet wird. Häufig ist das nämlich Spätlesequalität, was unweigerlich zu alkoholreichen Sprudlern führt. Das wollten wir nicht. Fein und elegant sollte der Sekt sein und ungemein animierend. Wir probierten lange, änderten immer wieder das Mischverhältnis. Fingen wir mit einem Cuvée an, das ein wenig Körper aufwies, so endeten wir mit einem beeindruckend rassig-schlanken. Das schlussendliche Cuvée überraschte uns selbst: 50% Riesling aus dem Kastanienbusch, 43% Weißer Burgunder aus dem Mandelberg (die grüne Lese des Großen Gewächses, das mit 94 Punkten einer der drei höchstbewerteten weißen Burgunder im Gault& Millau WeinGuide wurde). Außerdem: 2% Weißburgunder „Großes Gewächs“ mit 102 Grad Öchsle aus dem Barrique (Pfälzer Eiche gefertigt von Stockinger) – und 5% Muskateller, direkt mit den Rieslingtrauben verarbeitet.

So wurde der Grundwein in Sektflaschen gefüllt und wanderte in Volker Raumlands Keller nach Rheinhessen. Nun galt „Methode Traditionell“ wie in der Champagne. Und warten. Zuerst war dieser Sekt für 2013 geplant, doch Volker Raumland schüttelte nur den Kopf. Das sei zu wenig Zeit auf der Hefe. Drei Jahre ab Lese wären das Mindeste. Also wechselte ich zwei Projekte und zog den Müller-Thurgau mit Bernhard Huber vor – was ein Glück war, denn so konnte ich noch einen Wein mit diesem großen Winzer machen, der in diesem Jahr und damit viel, viel zu früh verstarb.

Die erste Probe des 2011er Sektes fand auf der ProWein, Ende März 2014, in Düsseldorf statt. Ich weiß noch, wie baff nicht nur ich war, sondern auch Franz Wehrheim und Volker Raumland selbst. Der Sekt duftete blumig-rosig, die 5% Muskateller hatten die Hosen an! Auch andere verkosteten die unbeschrifteten Flaschen, ein Importeur aus Italien war ganz begeistert und erkundigte sich, was das denn sei. Ein „Mystery Wine“ gaben wir uns passend mysteriös. Die zweite Probe war dann Anfang November 2014 bei Volker Raumland. Jetzt mussten wir die Dosage für den Wein auswählen, ihn damit in Zucker und Säure einstellen – oder ihn als brut nature so lassen wie er war. Wieder probierten wir lange, wobei die Frage nur war, wieviel wir vom Wein nehmen würden, den Franz als Dosage ausgesucht hatte: eine hochedle, fruchtsüße Riesling Auslese. Selber Jahrgang, selber Wingert. Zuckerwasser, wie sonst üblich, kam uns nicht hinein. Wir wählten 1,5%. Klingt lächerlich wenig, macht aber einen Riesenunterschied zu 1%, 2% und erst Recht zu 3%. Sektherstellung ist eine exakte Wissenschaft, es geht um perfekte Balance. Ein wenig zu viel, ein bisschen zu wenig und der Sekt stürzt in die geschmackliche Tiefe. Im Glas vor uns Dreien stand genau das, was ich mir erhofft hatte: Der Riesling nahm die Hauptrolle ein, mit seinen Aromen von grünen Äpfeln, von Limette und Pfirsich. Er steuert auch die rieslingtypische, laserstrahlgenaue Frische bei, doch der Weißburgunder umfängt ihn wie eine elegante Liebhaberin, schmiegt sich an ihn, lässt seine Kanten nicht aggressiv wirken, puffert die Säure ganz leicht ab, verleiht Schmelz und Eleganz. Das Beste zweier Welten. Der Muskateller zeigt sich wie ein feines, florales Gewürz, die Hefenoten der zweiten Gärung verströmen den Duft frischen Baguettes und das kleine bisschen Barrique-Weißburgunder gibt dem Sekt einen aromatischen Kern. Es zeigt sich: Riesling und Weißburgunder, das könnte ein dritter Weg für den deutschen Sekt sein.

Zum Schluss dieses Fundes, der mehr Jahre als jeder Fund zuvor in Anspruch nahm, brachte mich noch etwas zum Lächeln. Franz erzählte mir: „Volker ist schon länger gut mit meinem Vater befreundet und er war einer der allerersten, mit denen er Sekt gemacht hat. Sekt war eine der Sachen, die mein Vater neu in den Betrieb gebracht hat. Von daher für ihn eine Herzensangelegenheit. Ich trinke sehr gerne Sekt und find‘s lustig, dass auch ich mit Sekt anfange im Weingut. Wird scheinbar zur Tradition!“ Insofern ist der „Keschde unn Monnlä“ Tradition und doch auch Neuanfang. Vielleicht beginnt die nächste Generation bei Wehrheims ja auch wieder mit einem Sekt. Danke an Franz und Karl-Heinz Wehrheim, danke an Volker Raumland, für einen Sekt, wie es ihn so in Deutschland noch nie gegeben hat.