2015
Entdeckung Nr. 7
„Red Light“
Stein Weine / Mosel

(20,50 € / ausverkauft)

Nein, auf den Namen bin ich diesmal nicht gekommen. Es war eine Frau. Aber dazu später mehr. Manche Ideen schlummern lange im Kopf, bevor man sie überhaupt merkt- Doch dann will man sie direkt umsetzen. So ging es zumindest mir. Der „Cru de Bois“ lotete aus was deutscher Pinot Noir mit viel Reife, viel Alkohol und viel Holz zu leisten imstande ist, ob und wie sich Balance einfindet.

Ich wollte ans andere Ende der Skala. Ich wollte sehen, ob es ein rotes Gegenstück zu einem der großen, einzigartigen Meisterwerke deutscher Winzerkunst gibt: dem Riesling Kabinett. Früher dachte ich immer: Pinot Noir Kabinett kann nicht gehen, er braucht unbedingt Alkohol. Nicht viel, aber doch ein bisschen. 11%? Undenkbar!

Aber die undenkbaren Weine sind ja genau diejenigen, die wir hier finden wollen. Ich suchte einen Winzer, der die Leichtigkeit des Weins versteht, für den Komplexität und Schwerelosigkeit keine widersprüchlichen Begriffe sind. Und ich fand ihn quasi vor der Haustür, in Ulli Stein, dem Winzer der zusammen mit seinem Bruder Piet das Weingut Stein in Bullay an der Mosel führt, und der seine schützenden Hände über das „Gut Mannwerk“ hält, Mannwerk ist ein Projekt von fünf Freunden, zu denen ich auch gehöre, die in der Steilstlage St Aldegunder Himmelreich sich der Pflege alter, wurzelechter Rieslingreben verschrieben haben. Ulli Stein ist einer der Visionäre an der Mosel, sowohl was Neuerungen betrifft, wie Cabernet Sauvignon anzupflanzen, als auch altes aufleben zu lassen (seinen Strohwein „Striehween“) und vor allem die Stärke der Mosel auszuspielen: viel Geschmack bei wenig Alkohol (und verhaltenem Restzucker).

Zudem ist Ulli ein wunderbarer Mensch, mit dem man gerne bis spät in die Nacht zusammensitzt und über Wein philosophiert – oder solch ein Projekt angeht. Er war sofort Feuer und Flamme. Ein Rotwein, den man auch im Sommer an den heißesten Tagen trinken kann, leicht gekühlt. Der aber kein Fruchtbonbon ist, der Tiefe hat und von seiner Heimat, der Mosel erzählt, und vom Boden auf dem er wuchs, dem Schiefer.

Die Stein-Brüder wählten eine Parzelle mit verschiedenen Pinot-Noir-Klonen, um größere Komplexität zu erzielen: 777, Auer, Mariafeld, je ein Drittel. Die Rebstöcke nähern sich dem Alter in dem sie sich „Vieilles Vignes“ nennen dürfen. Der Ertrag war gering, fast geschäftsschädigend, gerade einmal 35 hl/ha. Gelesen wurden sie am 10.10.2014 bei sehr kalten Temperaturen am Vormittag mit 86 Grad Öchsle, strammen 11 Promille Säure. Es gab eine strenge Vorselektion. Alles, was nicht gesund war landete im Rosé, so dass wir 100% gesunde Trauben hatten.

Ulli Stein entschied sich für eine Kaltmazeration der entrappten Beeren im hölzernen Maischebottich. Kaltmazeration bedeutet in diesem Fall: 5 Grad über 6 Tage. Und am achten Tage, nachdem die Maische sich langsam erwärmt hatte… begann die Spontangärung. Bis zu drei Mal pro Tag wurde der Tresterhut sanft untergestoßen, sechs Tage gärte der Wein und die Temperatur stieg dabei bis auf 23 Grad an. Nichts wurde danach gepumpt, der Saft rann per Falldruck aus dem Bottich, die restliche Maische wurde extrem schonend abgepresst.

Dann ging es in dreifach gebrauchte Barriques, denn wir wollten nur einen ganz feinen Holzeindruck, kaum merklich, so subtil wie möglich. In diesen fand dann auch der biologische Säureabbau statt. Danach ging es wieder per Falldruck (die Barriques wurden mit dem Gabelstapler hochgehoben!) in ein altes Fuderfass (ein moseltypisches Eichenholzfass, in dem schon vor hunderten von Jahren die Mönche ihre Weine ausgebaut haben). Der Wein wurde nicht filtriert und nur ganz leicht geschwefelt. Ziel war schließlich eine pure Frucht. Abgefüllt wurde erst im September, danach gönnten wir ihm noch fast ein Vierteljahr auf der Flasche.

„Der Ausbau (Kaltmazeration, relativ kühle Gärtemperaturen, nicht zu lange Maischestandzeit, relativ geringer Alkohol) führte dazu, das weniger ‚strenge‘ Tannine ausgelaugt wurden und Eleganz, Frucht und Finesse im Vordergrund stehen“, sagt Ulli Stein. „Die Idee, dem leichten Riesling Kabinett eine vergleichbare, leichte rote Schwester an die Seite zu stellen, ist glaube ich absolut aufgegangen. Der Wein entwickelt sich auch enorm im Glas und ich glaube, dass er auch in der Flasche noch stark zulegen wird.“

Es ist ein Wein der tänzelt wie eine Ballerina, der flirrt, der anfangs ganz leicht wirkt, und nur wenn man genau hinschmeckt bemerkt man die Tiefe, dass alles ein Fundament hat, dass da Struktur ist und Festigkeit, Muskulatur, aber eben fein, keine dicken Muckis für die Bodybuilding-Weltmeisterschaft, sondern feine Strukturen, die nicht zu sehen, nur zu erahnen sind. Mademoiselle Pinot Noir statt Mister Universburgunder. Die Frucht ist klar und betörend, und der Wein so leicht und mit so viel Frische versehen, dass er sich ungemein schnell trinkt – und genau das kann und soll man ja auch. Er hat nur 11% Alkohol, wahnwitzig wenig, und doch braucht er kein bisschen mehr. Im Gegenteil. Mehr würde ihn aus der Schwerelosigkeit zurückholen, würde die Schwerkraft wieder einschalten.

Beim Namen dachte ich wegen all der Leichtigkeit an „Zero Gravity“, an „Völlig schwerelos“ und „Major Tom“. Doch es war Ulli Steins Frau, die großartige Kabarettistin Ruth Schiffer, die den Nagel auf den Kopf traf und einen viel besseren Namen fand. Sie schrieb mir damals: „Ein Rotwein mit weniger Alkohol ist für uns Frauen nicht nur ästhetisch eine Bereicherung, wir vertragen weniger als ihr, können also vom leichten ein Glas mehr trinken. Mit Zwinker auf antike Herrenwitze und Damen, die über sich selber lachen können, mein Namensvorschlag: Red Light.“

Als ich das las war mir klar: Der Name isses!

Der „Red Light“ zeigt, dass wir einen Weintyp in Deutschland in Zukunft pflegen sollten, der uns so viel geben kann, einen Pinot Noir Kabinett, der uns auf leichte Art verführt, der den Sommer rot werden lässt – und auch der schweren Weihnachtsgans etwas animierendes zur Seite stellt. Ich wünsche mir viel mehr solcher Weine: Von Spitzenlagen (hier: St. Aldegunder Palmberg-Terrassen), sorgfältig selektioniert, schonend ausgebaut. Solch einen Wein mit so viel Faszination und Tiefe hinzubekommen ist jedoch enorm viel schwerer als mit viel neuem Holz und überbordendem Alkohol über die Nichtigkeit des Seins eines belanglosen Tropfens hinwegzutäuschen. Einen Wein wie den „Red Light“ traut sich einfach nicht jeder. Danke an Ulli Stein, dass er den Mut dafür hatte! Und wie schön ist es, wenn Mut derart belohnt wird wie mit diesem Wein!