2010
Entdeckung Nummer 2
"Neumond"
Weingut Keller / Rheinhessen

(28 € / ausverkauft)

Als ich eines Tages wieder im Weingut hinter dem Bahndamm war, packte Klaus Peter Keller mich in seinen Wagen und zeigte mir einen Weinberg. Es war die Abtserde, eine seiner legendärsten Lagen, sie hat den höchsten Aktivkalk-Anteil in ganz Westhofen, der Boden ist sehr hell, fast weiß hier, und die Weine zeichnen sich durch eine vibrierende, kühle Mineralität aus.

Klaus Peter spazierte mit mir an den Reben vorbei und plötzlich änderte sich der Boden, mit einem Schlag. Wo eben helle Steine waren, fanden sich nun rote. Das Geheimnis, klärte mich Klaus Peter auf, ist der Eisenoxidgehalt, welcher in diesem Teil deutlich höher liegt. Die hier stehenden Reben waren jung und strotzten nur so vor Kraft. Gut 20 Jahre hatte die Parzelle brach gelegen, sie war total verwildert gewesen, Brombeersträucher hatten gewuchert, Unkraut dick wie Baumstämme. Klaus Peter glaubte fest an die besondere Qualität dieses speziellen Bodens, rodete alles und pflanzte im Jahr 2006 Riesling, Sélection massale - also eine wilde Mischung selber vermehrter Rebstöcke. Doch einfach war das nicht. An der Kuppe der Parzelle findet sich fast blanker Stein, so dass 200 Pfähle abgeflext werden mussten, damit man sie überhaupt in den enorm felsigen Boden bekam. Die Reben wuchsen langsam, denn hier mussten sie kämpfen, um ihre Wurzeln tief in den Boden zu bekommen. „Deshalb wurden sie von uns gehätschelt und getätschelt! Es ist nicht normal, dass ein junger Weinberg bis November durchhält, da fallen dann meist schon die Blätter ab. Doch in dieser Parzelle waren die Beeren kerngesund und die Schalen fest. Das liegt daran, dass der Boden ausgeruht war und konstant Wasser führte.“

Wer sich im Sommer den außergewöhnlichen roten Boden anschauen möchte, der muss genau hinsehen. Denn sämtliche Rebzeilen sind dauerbegrünt. Klaus Peter hat jedoch nicht, wie es sonst üblich ist, eingesät, sondern einfach wachsen lassen, was wachsen wollte. Das gehört für ihn zur Persönlichkeit eines Weinbergs, ist Teil seiner Einzigartigkeit. Und da in dieser Parzelle Samen von über zwanzig Jahren im Boden lagen, sprießte es hier äußerst vielfältig. Die Wildkräuteraromatik findet sich nun auch im Wein wieder - man riecht den Weinberg im Glas.

Und man schmeckt das Jahr. Ein außergewöhnliches Weinjahr: „ 2009 gab es einen Bilderbuchherbst. Wie Anna Netrebko – sehr ausdrucksstark, aber vielleicht nicht mit dem letzten bisschen Tiefe. Spannend wurde es, als es dann im Oktober richtig kalt wurde, nachts hatten wir sogar Minusgrade. Da haben die Hanglagen ihre Stärke ausgespielt. Vorher hatten wir schon wunderschöne Aromen von Passionsfrucht und Ananas, doch der letzte Kick vom Fels fehlte mir. Als es dann kalt wurde und die Beerchen Tag für Tag gegen die Temperaturen kämpfen mussten, da gewannen sie Grip und Charakter. Es waren wirklich märchenhafte Bedingungen in diesen ersten Novembertagen – die Trauben hingen wie pures Gold am Stock…. und wir hatten plötzlich Cecilia Bartoli!“

So beschreibt Klaus Peter den „Neumond“ selbst: „Er hat noch einen Tick wilder Verruchtheit und etwas Rostiges vom roten Boden im Geschmack, was mir supergut gefällt. In der Nase gibt es auch eine leichte Tabaknote mit einem Hauch Minze. Im Vergleich zum Wein vom hellen Kalk fällt der vom roten Boden aristokratischer aus, wie Samt und Seide, trotzdem hat er eine irre Spannung, weil er direkt auf dem Fels gewachsen ist. Man muss ihm gut Luft geben, kann ihn sogar Dekantieren. Am dritten, vierten Tag ist er sogar noch besser zu verstehen. Er hat sicher ein Potential von 15 Jahren – trinkt sich aber jetzt schon richtig gut. Das ideale Trinkfenster ist vermutlich 2014 bis 2018. Mit der Zeit wird er immer mehr Boden und immer weniger Primärfrucht zeigen. Wer das steinige Element liebt sollte ihn deshalb noch vier bis fünf Jahre hinlegen.“

Klaus Peter ist merklich stolz auf sein erstes „Baby“ von der roten Abtserde. Und auch ich bin begeistert von diesem Wein. Er ist ein verführerischer Hochgenuss, der sich an der Luft mit jeder Minute mehr öffnet, nein besser: entfaltet.

Und warum der Name „Neumond“?

Die Abtserde vom weißen Boden lässt mich in ihrer kühlen, hellen Schönheit immer ganz unvermittelt an den Mond denken. Nun ist ein neuer Mond aufgegangen! Niemand hat vor Ihnen diesen Wein genießen können. Denn er ist eine Premiere. Die Wiederentdeckung eines Weinberges, der 20 Jahre geschlafen hat. Wachgeküsst von Klaus Peter und Julia Keller.